Die vorliegende Studie fokussiert auf die Skalierbarkeit automatisierter und vernetzter Fahrzeugsysteme (AVF) in Deutschland. Sie analysiert den aktuellen Stand, weltweite Entwicklungsvergleiche sowie verschiedene Anwendungsfälle (Autopilot Level 3/4, Parkpilot Level 4, Robotaxi, Robobus usw.), Betriebsmodelle (Selbstnutzung, Sharing, Logistik) und Wertschöpfungsfelder (Autonome Fahrsysteme, Digitale Mobilitätsplattformen, Infrastruktur, Zusatzdienste usw.). Zudem identifiziert die Studie Herausforderungen und Handlungsfelder für Lösungsansätze.
Deutschland strebt eine Vorreiterrolle im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens an, um sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Vorteile zu realisieren. Dabei sind technologische, regulatorische und geschäftsbezogene Hürden zu überwinden. Deutsche Unternehmen konkurrieren international in der Entwicklung von AVF-Systemen. Deutschland hat führende Kompetenzen in Sensorik und Software für autonomes Fahren, aber die Entwicklung autonomer Fahrsysteme liegt hauptsächlich außerhalb des Landes. Deutsche Unternehmen sind daher in der Entwicklung autonomer Plattformen und anderen Mehrwertdiensten im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten unterrepräsentiert.
Von 100 einzelnen Herausforderungen wurden diejenigen identifiziert, die einer produktiven Skalierung im Weg stehen. Diese wurden auf drei zentrale Herausforderungen heruntergebrochen. Um Deutschland zum Innovationsstandort für AVF zu etablieren, sind gezielte Maßnahmen in den Bereichen Förderung, Koordination, Genehmigungsprozesse, Technologieentwicklung und Harmonisierung des Markts erforderlich. Eine klare politische Vision, kurz- bis mittelfristige Maßnahmen und ein gesellschaftlicher Dialog sind entscheidend, um das Vertrauen der Akteure zu stärken und wichtige Impulse für die Zukunft zu setzen.
Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Herausforderungen der Skalierbarkeit automatisierter und vernetzter Fahrzeugsysteme (AVF) in Deutschland. Dabei werden Dimensionen wie Technologie, Organisationsstruktur, Regulierung sowie die Generierung von Wertschöpfung eingehend analysiert. Anschließend werden Handlungsfelder zur Bewältigung dieser Herausforderungen und zur Förderung eines Innovationsstandorts aufgezeigt.
Diese Studie bietet einen systematischen Überblick über den Entwicklungsstand verschiedener Länder in diesem Bereich. Dabei erfolgt eine Bewertung von Anwendungsfällen und Betriebsmodellen für AVF sowie eine Analyse der Herausforderungen und Handlungsfelder.
Des Weiteren wird der Markt untersucht und die Probleme der unzureichenden Marktaktivität sowie das Fehlen eines vollständigen Wertschöpfungsnetzwerks aufgezeigt. Einzelne Vorreiterunternehmen („First-Mover“) sehen sich mit erheblichen Herausforderungen in Form hoher Kosten und Risiken konfrontiert. Zusätzlich drohen "Trittbrettfahrer-Effekte", bei dem nachfolgende Unternehmen im Markt von den Anstrengungen der Vorreiterunternehmen profitieren. Zusätzlich werden Lösungsansätze für spezifische Herausforderungen vorgeschlagen. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau der Infrastruktur oder die Einrichtung einer Datenbank für Extremsituationen („Corner Case“), die durch Fehler oder Ungenauigkeiten in den Modellen des autonomen Fahrens verursacht werden.
1. Forscher und Entwickler im Bereich von AVF
2. Unternehmen und Branchenexperten in der Automobilindustrie
3. Regierungsbehörden und politische Entscheidungsträger
4. Akademiker und Studenten, die sich für Zukunftstechnologien interessieren
Durch Zusammenfassung, Bewertung und Analyse von 100 Einzelherausforderungen in den vier Themenbereichen "Technologie und Technik", "Regulatorik und Harmonisierung", "Markt, Wertschöpfung und Wettbewerbsposition" sowie "Gesellschaft und Infrastruktur" ergeben sich nach Ansicht der Autoren folgende drei zentrale Herausforderungen:
- Unternehmen stehen vor Unsicherheiten in Bezug auf regulatorische, technische und marktbezogene Rahmenbedingungen.
- First-Mover-Nachteile und Trittbrettfahrer-Effekte behindern die Entwicklung eines AVF Wertschöpfungsnetzwerks.
- Deutsche Akteure setzen keinen Impuls für AVF-Wertschöpfungsnetzwerk.
Um ein selbsttragendes Wertschöpfungssystem zu etablieren, das die Entwicklung von Lösungen ermöglicht, sollte die Erreichung folgender Ziele angestrebt werden:
- Beseitigung regulatorischer, technischer und marktbezogener Unsicherheiten, um die Risiken für die Akteure im Wertschöpfungsnetzwerk zu verringern.
- Einführung eines Katalysators, der die Entstehung des Wertschöpfungsnetzwerks fördert.
- Setzen von Impulsen und Demonstrieren von Anwendungen nahe der Marktreife, um die Entwicklung voranzutreiben.
Um die Entwicklung des Wertschöpfungssystems zu fördern, das Vertrauen in den Innovationsstandort Deutschland zu stärken und die Unsicherheit der Beteiligten zu verringern, ist eine koordinierte und eng mit den Anwendungsfällen verbundene praktische Herangehensweise erforderlich. Basierend auf den identifizierten Herausforderungsbereichen werden in den folgenden Bereichen Empfehlungen zur Überwindung Einzelherausforderung im Level 3 und Level 4 von AVF gegeben:
- Ausbau der V2X- und Kommunikationsinfrastruktur
- Entwicklung und großflächige Diffusion von einheitlichen V2X-Standards und Infrastrukturdaten
- Adressierung verbleibender Einzelherausforderungen in der Forschung
- Bundesweites, digitales Verkehrszeichenkataster
- zentrale Datenbank zu szenario- und örtlich-basierten Corner Cases
Um einen gesellschaftlichen Dialog zu fördern, ein klares Bekenntnis der Regierung zu formulieren und den Innovationsstandort Deutschland zu stärken, werden in der Studie folgende fünf Handlungsfelder vorgeschlagen:
- Förderung skalierungsfähiger Anwendungsfälle nahe Marktreife, um die hohe Unsicherheit, existierende Kooperationsrisiken und fehlender Impulse aufzulösen.
- Aufbau einer nationalen Koordinationsstelle, um den Wissenstransfer zu fördern sowie eine Koordinationsplattform mit ausreichender Entscheidungsbefugnis bereitzustellen.
- Vereinheitlichung und Vereinfachung bundesweiter Genehmigungsprozesse
- Bewältigung weiterer relevanter Einzelherausforderungen (z. B. der Infrastrukturausbau oder der Aufbau einer Datenbank für Corner Cases). Entwicklung eines harmonisierten Marktes für autonome Fahrzeugfunktionen, der Einheitlichkeit und Kohärenz zwischen Regionen und Interessengruppen gewährleistet, um erfolgreiche Anwendungsfälle mittel- bis langfristig zu etablieren und ihre Skalierung auf dem Markt voranzutreiben.
Block. L., Herrmann. F., Wizl. J, Stefan. B., Bratzel. S., Böbber. F., (2024). Deutschland zum Innovationsstandort für das automatisierte und vernetzte Fahren machen: Herausforderung und Maßnahmen zur Skalierbarkeit von automatisierten und vernetzten Fahrsystemen (AVF). Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Center of Automotive Management (CAM).