
Die Bergische Region besteht als Zielgebiet des Projektes TRAIBER.NRW aus den kreisfreien Städten Remscheid, Solingen, Wuppertal und Düsseldorf sowie dem Kreis Mettmann, dem Rhein-Kreis-Neuss, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und dem Oberbergischen Kreis. In dieser Region sind über 115.000 Arbeitsplätze von der Automobilwirtschaft abhängig, dies entspricht einem Anteil von 6,9 Prozent an allen Erwerbstätigen. Davon sind 38.700 in der produktionsnahen Automobilwirtschaft – also der Fertigung von Teilen und Komponenten - angesiedelt, während 76.500 Arbeitsplätze Vorleistungsaktivitäten und nachgelagerten Branchen zugeordnet werden können. Insgesamt hat diese Industrie einen Anteil von 6,9 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung der Region.
Die Zielgruppe von TRAIBER.NRW sind Unternehmen der Automobilzulieferindustrie (AZI), die im Kerngeschäft Teile und Komponenten herstellen. Neben Unternehmen der produktionsnahen Automobilwirtschaft werden zu dieser Gruppe auch Unternehmen gerechnet, die zwar anderen Branchen zuzurechnen sind, jedoch eine große Nähe zu den Automobilherstellern (OEM) haben, wie z. B. der Maschinen- und Anlagenbau. Für die Bergische Region konnten insgesamt 431 Unternehmen identifiziert werden, die als Automobilzulieferer zu bewerten sind. Nachstehende Abbildung zeigt die regionale Verortung dieser Unternehmen, die im Schwerpunkt in den kreisfreien Städten Remscheid, Solingen und Wuppertal sowie dem Kreis Mettmann und dem Ennepe-Ruhr-Kreis angesiedelt sind.
Diese 431 Unternehmen stehen nicht nur unter erheblichem Transformationsdruck, um ihre eigene Geschäftstätigkeit in Zukunft fortführen zu können. Sie haben zugleich eine Vorreiter- und Vorbildrolle. Die vielen weiteren kleineren Zulieferbetriebe, und diese mit geringerer automobiler Prägung, sind in gewisser Weise abhängig von den Transformationsprozessen der Unternehmen des automobilen Kerns. Verlaufen Transformationsprozesse bei der AZI - relativ gesehen zum globalen Markt - vergleichsweise schnell, kann das auch Auswirkungen auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette haben und treibt auch dort Innovation und Transformation. Andersherum kann eine langsamere Entwicklung der AZI auch die nachgelagerten Unternehmen hemmen.
In den drei Chancenfeldern der Elektrifizierung des Antriebsstrangs, der Automatisierung von Fahrzeugen (Stichwort: autonomes Fahren) und der Vernetzung von Fahrzeugen arbeiten in der Bergischen Region etwa 5.900 der 38.700 Beschäftigten. Das ist ein Anteil von 0,5 Prozent aller Beschäftigten. Im Oberbergischen Kreis und in Wuppertal sowie im Ennepe-Ruhr-Kreis können jedoch schon höhere Anteile von 1,0 bzw. 0,8 Prozent beobachtet werden.
Transformation der regionalen Automobilzulieferindustrie: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken
Die vertiefte regionalökomische Analyse, die dieser Strategie zugrundliegt, beinhaltet eine umfassende Auseinandersetzung mit den Zukunftsherausforderungen und -möglichkeiten, denen sich nicht nur die Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, sondern auch die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Akteure der Region gemeinsam gegenübersehen.
Diese Herausforderungen und Möglichkeiten lassen sich im Sinne von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken wie folgt darstellen: Stärken, die für die Transformation der Automobilzulieferindustrie genutzt bzw. ausgebaut werden können
- Die Mehrheit der Automobilzulieferer in der Bergischen Region arbeitet im Bereich der sonstigen Systeme und ist mit ihren Produkten weniger stark vom Wandel in der Antriebstechnologie betroffen.
- Insbesondere in Remscheid und Wuppertal sowie im Oberbergischen Kreis sind bereits heute vermehrt Unternehmen in den automobilen Chancenfeldern (Elektrifizierung des Antriebsstranges, Automatisierung und Vernetzung von Fahrzeugen) tätig.
- Die Region weist eine NRW-weit überdurchschnittliche Patentstärke auf, auch im Automotivebereich.
- Im Bereich der Infrastruktur steht die Region sehr gut da. Überdurchschnittlich stark ist die Bergische Region bei der ausgebauten Breitbandverfügbarkeit, die sich als Standortvorteil für Unternehmen mit digital ausgerichteten Geschäftsmodellen z.B. im Bereich IoT und Big Data herausstellt. Die Bergische Region ist beim Einsatz von Industrie-4.0-Verfahren bereits jetzt überdurchschnittlich gut positioniert.
- Im Bereich der Wissenschaft besteht eine gute Profilierung für Mobilitätsthemen und zukünftiger Mobilität. Es gibt ausgeprägte Kooperationsstrukturen zwischen Wissenschaft und regionaler Wirtschaft.
- Es bestehen Unterstützungsstrukturen durch thematische Netzwerke mit eingespielten Formaten der Kooperation.
- In einzelnen Teilregionen existieren gute Initiativen, beispielsweise zur Integration von Menschen mit internationaler Familiengeschichte oder zur Fachkräftevermittlung, die bislang jedoch nur kleinräumlich wirksam sind.
Schwächen, die die Transformation der Automobilzulieferindustrie in der Bergischen Region ausbremsen
- Die Unternehmen der Region sind stark KMU-geprägt. KMU investieren in der Regel weniger in wissensbasiertes Kapital, wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung. KMU sind außerdem in ihren Innovationstätigkeiten und -ressourcen limitiert.
- Der Wohlstand innerhalb der Bergischen Region liegt mit Ausnahme der Stadt Düsseldorf unterhalb des NRW-Landesdurchschnitts. Der Region fehlt es an wirtschaftlicher Dynamik, sie wächst langsamer als andere Regionen des Landes. Rückläufige Entwicklungen im verarbeitenden Gewerbe führen zu Einbrüchen in der regionalen Bruttowertschöpfung.
- Die Bergische Region ist zwar gründungsaffin, doch erfolgen Gründungen hauptsächlich im Handel und in der Dienstleistungsbranche. Gründungen mit technischen und digitalen Schwerpunkten, die für die Automobilindustrie Anknüpfungspunkte und Innovationspotenzial bergen können, fallen deutlich geringer aus.
- Bereits heute ist der Fach- und Nachwuchskräftemangel in der Bergischen Region deutlich erkennbar. Eine Vielzahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügt in der Bergischen Region über keinen beruflichen Abschluss.
- In der Bergischen Region absolvieren wenig Studierende im MINT-Bereich.
- Die Region ist, mit Ausnahme von Düsseldorf und Wuppertal, im Bereich der Forschungsinfrastruktur eher schwach positioniert.
- Auch innerhalb der Bergischen Region besteht Konkurrenz um Fachkräfte und wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit. - Es sind nur wenige Flächen zur Erweiterung und für Neuansiedlungen verfügbar.
- Zwei Teilregionen (Oberbergischer Kreis und Rhein Kreis Neuss) haben einen hohen Anteil beim Patentgeschehen am Verbrenner-Antriebsstrang.
Chancen, die sich für die Automobilzulieferindustrie ergeben
- Es gibt Potenziale, um den Fachkräftemangel abzumildern, beispielsweise durch erfolgreiche Integration qualifizierter Geflüchteter oder durch teilzeitbeschäftigte Frauen. Der hohe Anteil Beschäftigter ohne Berufsqualifikation könnte durch ansprechende und moderne Formate der Qualifikation für eine Anstellung in der Automobilzulieferindustrie gewonnen oder
weiterentwickelt werden. - Bereits gut ausgebaute und etablierte Gründungsstrukturen und die hervorragend ausgebaute digitale Infrastruktur bieten die Möglichkeit, technologieorientierte Gründungen oder technologiefokussierte Neuansiedlungen auszubauen.
- Bestehende Netzwerke können genutzt werden, um wichtige Impulse zielgerichtet an die KMU vermitteln zu können und Synergien zwischen regionalen Akteuren zu heben.
Risiken, die sich für die Automobilzulieferindustrie ergeben
- Von unterschiedlichen Seiten, beispielsweise Kunden oder Politik, sind Unternehmer aktuell mit zahlreichen (neuen) Anforderungen konfrontiert. Es besteht das Risiko, dass die Kernkompetenzen angesichts der hohen Transformationsdynamik nicht anforderungsgemäß ausgebaut werden.
- Bei Unternehmen mit Produktionsfokus auf den Verbrenner-Antrieb besteht ein erhöhtes Transformationsrisiko.
- Der demographische Wandel ist auch in der Bergischen Region zu spüren. Es besteht die Gefahr von zunehmendem Wettbewerb bei Anwerbung von Fach- und Nachwuchskräften, auch innerhalb der Bergischen Region.
- Zunehmende Unsicherheiten in globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten, wie beispielsweise Störmuster wie die Chipkrise oder politische Einflussmuster auf Rohstoff- und Handelsfragen, erhöhen das Risiko eines abreißenden Versorgungsnachschubs für die Industrie.
Handlungsempfehlungen
Im Ergebnis kommt die regionalökonomische Studie zu einem ausdifferenzierten Set von Handlungsempfehlungen, die in der nachfolgenden Abbildung dargestellt werden. Folgt man ihnen, so können die vorstehend beschriebenen Stärken genutzt werden, um die bestehenden Chancen weiter auszubauen und die vorhandenen Risiken wie Schwächen abzumildern.
- Einbinden der „Verbrenner-Unternehmen“ in Netzwerke
- Arbeitgeberattraktivität stärken
- Junge Menschen für MINT begeistern
- Integrationsangebote für geflüchtete Menschen schaffen
- Chancen auch außerhalb der Chancenfelder wahrnehmen
- Identifizierung neuer Trends
- Best-Practice-Ansatz nutzen
- Neue internationale Wertschöpfungsnetzwerke erschließen
- Rahmenbedingungenstärken und Standortattraktivität ausbauen