
Mit der zunehmenden Komplexität globaler Lieferketten und den wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit, Transparenz und regulatorische Nachweispflichten stehen Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen. Catena-X adressiert genau diese Anforderungen durch ein standardisiertes Datenökosystem für die Automobilindustrie, welches eine effiziente, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht.
Die Idee hinter Catena-X
Um ein offenes, standardisiertes Datenökosystem für die Automobilindustrie zu entwickeln, wurde 2021 Catena-X ins Leben gerufen. Die Initiative ist Teil der europäischen Dateninfrastruktur Gaia-X, die von einem Zusammenschluss aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung aus Deutschland, Frankreich und weiteren europäischen Ländern getragen wird. Unterstützt wird Gaia-X vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Gaia-X verfolgt das Ziel, eine sichere und souveräne Infrastruktur für den branchenübergreifenden Datenaustausch in Europa zu schaffen. Catena-X baut auf dieser Architektur auf und konzentriert sich gezielt auf die Schaffung eines gemeinsamen digitalen Datenraums für die Automobilindustrie.
Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette können dadurch in Echtzeit Informationen austauschen, ohne dass Daten zentral gespeichert werden. Stattdessen bietet Catena-X einen sicheren, standardisierten Rahmen für den vertrauensvollen Datenaustausch. Die teilnehmenden Unternehmen behalten jederzeit die volle Kontrolle darüber, wer welche Informationen erhält, wann sie geteilt werden und zu welchem Zweck.
Compliance-Unterstützung entlang der Lieferkette
Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, regulatorische Anforderungen wirtschaftlich zu erfüllen. Besonders kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt dies oft wegen begrenzten personellen und technischen Ressourcen schwer. Catena-X bietet genau hier praxisnahe Unterstützung. Mit standardisierten Datenstrukturen und digitalen Schnittstellen lassen sich benötigte Informationen entlang der gesamten Lieferkette automatisiert erfassen, verarbeiten und transparent bereitstellen.
Ein Beispiel für solche Anforderungen ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Es verpflichtet Unternehmen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten zu identifizieren, zu bewerten und geeignete Maßnahmen zur Prävention oder Abhilfe zu ergreifen. Auch wenn das Gesetz offiziell erst für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden gilt, sind KMU indirekt betroffen. Großunternehmen müssen ihre Zulieferer überprüfen. Daher werden kleinere Unternehmen zunehmend von ihren Kunden dazu verpflichtet, Risikoanalysen, Nachhaltigkeits- und Compliance-Nachweise bereit zu stellen, welche sich mit Catena-X effizient umsetzen lassen. Unternehmen können standardisierte Risikoanalysen nutzen, Frühwarnsysteme für Menschenrechts- und Umweltrisiken aktivieren und ihre Berichts- sowie Dokumentationspflichten digital und strukturiert erfüllen. So können auch kleinere Betriebe ohne bürokratischen Mehraufwand verlässliche Lieferkettendaten bereitstellen.
Zunehmend wichtig wird auch die Rückverfolgbarkeit von Materialien, Bauteilen und Komponenten über Unternehmensgrenzen hinweg. Ab 2027 wird der Digitale Produktpass (DPP) in der EU zunächst für ausgewählte Produktgruppen wie Batterien und Elektronikprodukte verpflichtend, mit einer geplanten Ausweitung auf weitere Produktkategorien und dem Ziel einer vollständigen Umsetzung bis 2030.
Der DDP verbessert die Reaktionsfähigkeit bei Störungen oder Rückrufaktionen, schafft Transparenz über komplexe Lieferketten und stärkt die Qualitätssicherung sowie das Risikomanagement. Catena-X unterstützt Unternehmen auch hierbei über den standardisierten, sicheren Austausch produktbezogener Informationen, um die Anforderungen des DDP über Unternehmens- und Systemgrenzen hinweg effizient umzusetzen.
Ein weiteres Thema, das an Bedeutung gewinnt, ist die CO₂-Bilanzierung. Auch KMU stehen zunehmend unter Druck, den CO₂-Fußabdruck ihrer Produkte offenzulegen und Maßnahmen zur Emissionsreduktion nachzuweisen. Für viele Unternehmen ist das jedoch eine große Herausforderung, da eigene Ressourcen, Daten oder Transparenz in der Lieferkette oft fehlen.
Catena-X ermöglicht hier einen verlässlichen Zugriff auf Emissionsdaten entlang der gesamten Lieferkette, ohne selbst komplexe Datenerhebungsprozesse aufbauen zu müssen. Standardisierte, nachvollziehbare Berechnungsmodelle für den CO₂-Fußabdruck sorgen dabei für Vergleichbarkeit und Transparenz. Auf dieser Grundlage können KMU ihren CO₂-Ausstoß präzise erfassen, fundierte Nachhaltigkeitsberichte erstellen und gezielt Maßnahmen zur Emissionsreduktion umsetzen.
Für Unternehmen kann die Teilnahme an Catena-X also ein entscheidender Schritt sein, um sich frühzeitig auf digitale Kooperationsformen und datenbasierte Prozesse im industriellen Umfeld vorzubereiten. Sie kann dabei helfen, Abläufe in der Lieferkettenplanung und Qualitätskontrolle effizienter zu gestalten. Gleichzeitig wird es einfacher, Anforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Produktionstransparenz systematisch zu erfüllen, da der Zugang zu relevanten Daten aus tieferen Lieferkettenstufen geschaffen wird. Dies erleichtert ergänzend die eigenen Risikoanalysen und erhöht die eigene Sichtbarkeit gegenüber OEMs und Großkunden.
Ein besonderer Vorteil für KMU liegt an der Stelle im niedrigschwelligen Zugang zum Datenökosystem. Über das standardkonforme Konnektor-Framework Dataspace OS Nova, welches im nächsten Abschnitt näher erläutert wird, können Unternehmen ohne großen technischen oder personellen Aufwand nahtlos in die Datenplattform integriert werden, selbst wenn keine IT-Abteilung vorhanden ist.
Fortschritte und Perspektiven der Catena-X-Initiative
Seit der Gründung im Jahr 2021 mit 28 Gründungsmitgliedern hat sich Catena-X zu einer tragfähigen Infrastruktur für die digitale Zusammenarbeit in der Automobilindustrie entwickelt. Mit mittlerweile rund 190 Mitgliedsorganisationen (Stand: März 2025) gewinnt das Netzwerk zunehmend an Reichweite und praktischer Relevanz, sowohl national als auch international. Immer mehr Akteure entlang der Lieferkette nutzen Catena-X produktiv und schaffen so eine gemeinsame, interoperable Datenbasis für zentrale Anwendungsfälle.
Ein Meilenstein ist die Integration in die Serienproduktion: BMW setzt Catena-X erstmals seit 2024 produktiv, beispielsweise beim vollelektrischen BMW iX. Inzwischen sind über 100 technische Schnittstellen zu Zulieferern wie Magna, Bosch oder BASF in Betrieb, was zeigt, dass der standardisierte Datenaustausch aus dem Pilotstatus in den realwirtschaftlichen Einsatz übergegangen ist.
Auch die internationale Skalierung schreitet voran: Mit der Eröffnung eines Catena-X-Hubs in Shanghai im Jahr 2024 wurde ein wichtiger Schritt zur Einbindung asiatischer Partner unternommen. Durch die Kooperationsvereinbarung mit dem chinesischen Automobilverband CAAM und dem VDA im April 2025 können nun chinesische Automobilunternehmen in Catena-X eingebunden und Teil eines globalen Datenaustauschs werden. Dieser Ausbau markiert einen wichtigen Schritt zur globalen Skalierbarkeit des Datenökosystems. Unternehmen können so ihre internationalen Lieferketten konsistenter und effizienter in einheitliche Datenstrukturen integrieren.
Für kleine und mittlere Unternehmen wurde dabei gezielt der technische Einstieg erleichtert. Mit Onboarding-Supportlösungen wie dem Konnektor-Framework Dataspace OS Nova können KMU auch ohne eigene IT-Abteilung unkompliziert an dem Datenökosystem teilnehmen. Erste Anwendungsfälle von Nova sind beispielsweise das digitale Anlegen von Unternehmensprofilen oder die Verwaltung von Zertifikaten und dessen kontrollierte Weitergabe an Geschäftspartner.
Fazit: Ein wachsendes Netzwerk mit realem Mehrwert
Catena-X etabliert sich zunehmend als tragende Infrastruktur für den industrieübergreifenden Datenaustausch in der Automobilbranche. Der Aufbau praxisrelevanter Anwendungen, die internationale Expansion und die gezielte Unterstützung für KMU zeigen, dass das Ökosystem mehr ist als ein technisches Konzept – es wird zur realen Arbeitsgrundlage für Unternehmen jeder Größe. Insbesondere vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen und wachsender Komplexität in globalen Lieferketten bietet Catena-X einen strukturierten, sicheren und zukunftsfähigen Rahmen, um Transparenz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken.
Weitere Informationen:
https://catena-x.net/de/
Die zentrale institutionelle Basis ist der Verein Catena-X Automotive Network. Die Open-Source-Community ist für die Gestaltung der Standards und Anwendungsfelder zuständig.
https://www.cofinity-x.com/de/
Die operative Säule der Plattform ist die Betreibergesellschaft Cofintiy-X. Sie ist zentraler Ansprechpartner, wenn es um die konkrete Umsetzung in Unternehmen, dem sogenannten Onboarding, geht.