Autoren: Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß, Dr. Ingo Klingenberg, Maximilian Keller und Dr. Phillip Nguyen; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Immer mehr Unternehmen sehen sich einem wachsenden Transformationsdruck ausgesetzt, um auch in Zukunft am Markt bestehen zu können. Neben der fortschreitenden digitalen Transformation gewinnen weitere Anforderungen an mehr Nachhaltigkeit, veränderte Produktionsprozesse oder neue Arbeits- und Geschäftsmodelle an Bedeutung. Entscheidend für eine erfolgreiche Unternehmenstransformation sind insbesondere die Beschäftigten. Um den Wandel gemeinsam mit ihnen erfolgreich zu gestalten, benötigen Unternehmen die richtige Strategie und die richtigen Maßnahmen.
Transformationsprozesse in Unternehmen
In der heutigen Geschäftswelt sind Unternehmen kontinuierlichen Veränderungen ausgesetzt, die durch globale Entwicklungen wie sich verändernde Kundenanforderungen und technologischen Fortschritt vorangetrieben werden. Transformationsprozesse sind dabei keine Seltenheit, sondern vielmehr die Norm. Diese Prozesse zielen darauf ab, Unternehmen nachhaltig zu verbessern, indem sie etablierte Strukturen und Denkmuster aufbrechen und zu radikalen Veränderungen führen. Während erfolgreiche Transformationen das Potenzial haben, die Innovationsfähigkeit und Effizienz eines Unternehmens zu steigern, können sie für die Beschäftigten auch eine große Herausforderung darstellen. Neue Anforderungen erfordern neue Fähigkeiten und Kompetenzen, was mit Lernprozessen verbunden ist, die jedoch auch scheitern können. Dies kann zu vorübergehenden Leistungseinbußen, erhöhtem Stress und einer Abnahme der Arbeitszufriedenheit führen (vgl. Mohr 2020). Letztendlich ist es wichtig, dass Unternehmen sich dieser Herausforderungen bewusst sind und ihre Mitarbeiter entsprechend unterstützen, um den Wandel erfolgreich zu gestalten.
Der Faktor Mensch in der Transformation
Den mit der Transformation verbundenen Herausforderungen und Risiken für die Beschäftigten muss auf vielfältige Weise begegnet werden. Ziel sind kompetente, motivierte und gesunde Beschäftigte.
Kompetenz: Die Fähigkeit der Beschäftigten, sich an Veränderungen anzupassen, ihre Lernbereitschaft und ihre Offenheit für neue Herausforderungen sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Mit dem Wandel sind neue Aufgaben und Tätigkeitsfelder verbunden, die Kompetenzen erfordern, die über die ursprünglichen Anforderungen hinausgehen. Um sicherzustellen, dass die Beschäftigten ausreichend qualifiziert sind und nicht überfordert werden, können Weiterbildungsmaßnahmen von den Unternehmen angeboten werden. Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch eine ausreichende Lernmotivation der Beschäftigten.
Motivation: Motivation ist ein entscheidender Faktor in Veränderungsprozessen. Das aus der Forschung bekannte „Commitment to Change“ agiert dabei nicht nur als treibende Kraft, die Beschäftigte mit Leidenschaft in den Wandel eintauchen lässt, sondern schafft auch ein tiefes Gefühl der Verpflichtung und des Verantwortungsbewusstseins. Diese besondere Form der Einsatzbereitschaft kann wesentlich dazu beitragen, Widerstände zu überwinden, die Zusammenarbeit zu fördern und positive Veränderungen in Unternehmen zu erreichen. Die Motivation der Beschäftigten bildet somit den Motor, der die Vision des Wandels in die Realität umsetzt.
Gesundheit: Veränderungen im Arbeitsumfeld, zusätzlicher Stress und Unsicherheit führen in Transformationsprozessen zu erhöhten Belastungen und können langfristig die Gesundheit der Beschäftigten gefährden. Die Folgen sind steigende Krankenstände und daraus resultierende Personalengpässe. Unternehmen sollten folglich insbesondere in Transformationsprozessen darauf achten, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten nicht vernachlässigt werden.
Zur Vorbereitung der Beschäftigten auf die Transformationsprozesse und zur Erhaltung ihrer Kompetenz, Motivation und Gesundheit steht den Unternehmen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. Dazu gehören unter anderem Personalführung, Partizipation und betriebliches Gesundheitsmanagement.
Einfluss von Personalführung auf Transformationsprozesse
Autoritäre Führungsstile stoßen in Transformationsprozessen schnell an ihre Grenzen, da sie den spezifischen Anforderungen tiefgreifender Veränderungen nicht gerecht werden. Im Gegensatz dazu hat sich das Konzept der transformationalen Führung als ein Erfolg versprechendes Instrument erwiesen.
Transformationale Führung bezeichnet einen Führungsstil, der die Vorbildfunktion von Führungskräften in den Mittelpunkt stellt und darauf abzielt, Beschäftigte durch Inspiration, Wertschätzung und individuelle Entwicklung durch Veränderungs- und Transformationsprozesse zu führen (vgl. Faupel/Süß 2019). Zu den Potenzialen dieses Führungsstils zählen unter anderem der Aufbau von Vertrauen, Akzeptanz und Motivation, die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen durch individuelle Förderung sowie die Verbesserung des innovativen Arbeitsverhaltens durch die Vermittlung von Visionen.
Die Anforderungen an diesen Führungsstil sind jedoch u. a. ein hoher Kommunikations- und Zeitaufwand, um Visionen adäquat zu vermitteln, sowie der Aufbau einer entsprechenden Erwartungshaltung der Geführten hinsichtlich der Umsetzung der kommunizierten Vision und Widerstände bei Nichterfüllung.
Einfluss von Partizipation der Beschäftigten auf Transformationsprozesse
Partizipation bezeichnet die direkte und interessenorientierte Beteiligung von Beschäftigten oder anderen Stakeholdern an Prozessen und Entscheidungen einer Organisation. Partizipationsangebote können beispielsweise in Form von Workshops oder digitalen Plattformen zur Einreichung von Vorschlägen erfolgen.
Partizipation hat ein vielfältiges Potenzial, sich positiv auf die Unternehmenstransformation auszuwirken. Zunächst kann Partizipation die Transparenz erhöhen. Durch eine bessere Information der Beschäftigten über den Prozess und dessen Auswirkungen können u. a. Vorurteile und damit Widerstände abgebaut werden. Des Weiteren kann sich die Identifikation der Beschäftigten mit dem Transformationsprozess durch die Möglichkeit der Mitgestaltung erhöhen, was wiederum die Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft steigert. Darüber hinaus können durch die aktive Beteiligung Wissensbestände erweitert und Lernprozesse in Gang gesetzt werden, die die Kompetenzen der Beschäftigten fördern.
Risiken von Partizipation sind hingegen die Überforderung der Beschäftigten bei zu umfangreichen Partizipationsmöglichkeiten, die Verzögerung von Entscheidungsprozessen oder die Manipulation von Verfahren. Partizipation bedarf daher einer angemessenen Vorbereitung und eines effektiven Prozessmanagements, um ihre Potenziale entfalten zu können (vgl. Schiersmann/Thiel 2018).
Einfluss von betrieblichem Gesundheitsmanagement auf Transformationsprozesse
Transformationen sind für die Beschäftigten mit einer Reihe von Risiken und Herausforderungen verbunden. Die erhöhten Belastungen bergen dabei die Gefahr von vermehrtem Stress und langfristig von gesundheitlichen Beeinträchtigungen (vgl. Weiß/Süß 2016).
Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist daher für die Transformation erfolgskritisch. Entscheidend ist dabei, dass nicht nur die physische Gesundheit im Vordergrund steht, sondern insbesondere die psychische Gesundheit Berücksichtigung findet, da diese durch die Transformation besonders beansprucht wird.
Durch die Entwicklung gesundheitsförderlicher Strukturen sowie Verhaltens- und Denkmuster kann den Belastungen des Transformationsprozesses angemessen begegnet werden. Eine gesundheitsförderliche Begleitung der Transformation kann darüber hinaus die Arbeitszufriedenheit und Motivation der Beschäftigten fördern, Wechselabsichten reduzieren und durch die Förderung von Lernprozessen die Arbeitsleistung erhöhen. Konkrete Maßnahmen, die im Rahmen des BGM umgesetzt werden können, sind beispielsweise das Angebot von gesundheitsfördernden Workshops und Schulungen, psychologische Beratungen zum Abbau von Transformationsängsten oder betriebliche Gesundheitszirkel, die die Folgen der Transformation thematisieren.
Fazit
Transformationsprozesse sind für die Beschäftigten eines Unternehmens mit Belastungen und Herausforderungen verbunden. Eine erfolgreiche Transformation setzt daher motivierte, gesunde und kompetente Beschäftigte voraus. Transformationale Führung, geeignete Partizipationsmaßnahmen sowie die Berücksichtigung der Gesundheit der Beschäftigten sind hierfür die Voraussetzungen.
Effektive Führung auf der Basis von Vertrauen und Kommunikation schafft ein motivierendes Arbeitsumfeld und fördert die Kompetenzen der Beschäftigten. Partizipation ermöglicht es den Beschäftigten, Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten. Gleichzeitig sorgt ein BGM dafür, dass die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten erhalten bleibt, was langfristig zu Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung führt. In ihrer Kombination bilden diese Faktoren eine gute Basis für gesunde, motivierte und hoch qualifizierte Beschäftigte, die in der Lage sind, in Transformationsprozessen einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens zu nehmen.
Literatur
Faupel, Stefanie/Süß, Stefan (2019): The effect of transformational leader-ship on employees during organizational change – An empirical analysis, in: Journal of Change Management 19 (3/2019), S. 145-166
Mohr, Thomas (2020): Der Digital Navigator – Ein Modell für die digitale Transformation, Wiesbaden 2020
Schiersmann, Christiane/Thiel, Heinz-Ulrich (2018): Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Veränderungsprozessen, 5. Aufl., Wiesbaden 2018
Weiß, Eva-Ellen/Süß, Stefan (2016): The relationship between transformational leadership and effort-reward imbalance, in: Leadership & Organization Development Journal 37 (4/2016), S. 450-466
Der vollständige Artikel ist in der Zeitschrift für Betrieb und Personal (B+P), Ausgabe 12/2023 erschienen.